Das geheimnisvolle Leben der Pilze by Hofrichter Robert

Das geheimnisvolle Leben der Pilze by Hofrichter Robert

Autor:Hofrichter, Robert
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-GVH Religion und Gesellschaft
veröffentlicht: 2017-04-23T16:00:00+00:00


ALTE BEKANNTE UND ZWEIFELHAFTE FREUNDE

Enttäuschende Beziehungen

* * *

... ein Giftpilz oder nicht? Spannende Frage ...

Wir werden sehen, dass es noch eine ganze Menge von Grenzfällen zwischen essbar und giftig gibt.

So sind z. B. manche Magen-Darm-Giftpilze für einzelne Personen verträglich, ich spreche von Rossnaturen mit Saumagen, sicher ein wenig flapsig ...

Lothar Krieglsteiner, pilzkunde.de

Wie wir in einem der früheren Kapitel schon gesehen haben, ist unsere Beziehung zu Pilzen sehr alt. Und wie das so ist mit in die Jahre gekommenen Beziehungen: Hätten wir früher die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass nichts der Vertrautheit und Zuneigung etwas anhaben kann, so steht man doch mit einem Mal ratlos und erschrocken vor der Tatsache, dass alles sich geändert hat. Aus dem nahen Menschen wurde ein fremdes Gegenüber, das Seiten erkennen lässt, die man so niemals vermutet hätte.

Was für unsere menschlichen Beziehungen gilt, ist für unsere Pilzbekanntschaften nicht minder wahr. Auch in unserem mykologischen Bekanntenkreis entpuppten sich in den letzten Jahren einige alte Freunde als pathogene Gesellen und Fieslinge.

Schuld an diesen emotional-mykologischen Beziehungsdramen sind die Fortschritte der Wissenschaft. Immer besser begreifen Mykologen die Zusammenhänge in der Welt der Pilzgeflechte und Fruchtkörper. Immer Neues wird sichtbar aus der geheimnisvollen Welt im Untergrund. Und klar wird: Manches, das uns entgegentritt, ist so ganz anders als bisher gedacht. Da tut der Pilzfreund gut daran, alte Gewissheiten loszulassen und das, was man »immer schon so gemacht hat«, zu ändern. Denn auch in der Beziehung zu den Pilzen ist es wichtig, alte Geleise immer wieder zu verlassen, Neues zuzulassen und manchmal eben auch Abschied zu nehmen.

Ein stiller Killer – der Kahle Krempling

Ein Pilz, der diesen Sachverhalt einprägsam verdeutlicht, ist der Kahle Krempling mit seinem braunen Hut und einem zunächst stark eingerollten Rand. Man wusste zwar immer, dass der Ektomykorrhiza-Pilz, der mit zahlreichen Laub- und Nadelbäumen in Symbiose lebt und weit verbreitet ist, es roh verzehrt in sich hat: Seine Hämolysine und Hämagglutinine können schwere, manchmal tödlich verlaufende Brechdurchfälle auslösen. Aber gekocht galt er als essbar. Auch als sich bereits zu Beginn der 1960er-Jahre die Hinweise mehrten, dass nach seinem Konsum unerklärliche Vergiftungsfälle auftreten konnten, dauerte es noch viele Jahre, bis das breitere Publikum der Pilzfreunde auf die Gefahr aufmerksam gemacht wurde und sich in gängigen Pilzführern entsprechende Warnhinweise fanden. In meiner Kindheit war es noch weit verbreitet, Kahle Kremplinge zu verzehren. Manche Sammler schätzten sie sogar mehr als die Steinpilze, weil sie sehr aromatisch sind und man aus ihnen ein Gericht zubereiten konnte, das fast einem Gulasch glich. Wir können davon ausgehen, dass tatsächlich eine nicht kleine Zahl von Pilzessern an diesem Gericht starb, ohne dass Verwandte oder Ärzte verstanden haben, was jeweils die Todesursache gewesen ist. Denn der Kahle Krempling ist ein stiller Killer, der sein Werk langsam vollbringt und nicht unmittelbar, sondern mit einer Verzögerung von Monaten oder sogar Jahren tötet. Erst im Zusammenhang mit der Behandlung von zwei Vergiftungsfällen in Hannover im Jahr 1971 gelang es einem Ärzteteam, den Mechanismus dieser Vergiftung aufzuklären. Den Forschern taten sich Abgründe auf, denn die Wirkung des Kahlen Kremplings war völlig anders, als man es von anderen Pilzgiften kannte.



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